Antiziganismus in Deutschland – Die Vergangenheit ist nicht tot

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Antiziganismus in Deutschland – Die Vergangenheit ist nicht tot

Der erste Jahresbericht Antiziganismus hat 621 Vorfälle erfasst – ein großer Teil in staatlichen Institutionen

  • Pauline Jäckels     
  • Für das Jahr 2022 hat die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) bundesweit insgesamt 621 antiziganistische Vorfälle erfasst. Der entsprechende Bericht wurde am Montag in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Er ist der erste seiner Art – die Dunkelziffer der tatsächlichen Fälle entsprechend hoch. Trotzdem wird jetzt schon deutlich: Sinti und Roma sind in allen Lebensbereichen mit Hass, Vorurteilen und Diskriminierung konfrontiert – ob auf der Straße, in der Schule oder bei staatlichen Behörden wie etwa der Polizei.
2021 gab das Bundesfamilienministerium unter Horst Seehofer (CDU) den ersten Jahresbericht Antiziganismus in Auftrag, nachdem Sinti- und Roma-Verbände ein solches Projekt über Jahre hinweg gefordert hatten. »Das ist die erste systematische Erfassung und Dokumentation zu antiziganistischen Vorfällen in Deutschland überhaupt«, erklärte Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Der Bericht zeige die Gefahren des erstarkenden Rechtsextremismus, der sich direkt auf die Minderheit auswirke.

Die im Report erfassten Vorfälle sind in sechs Untergruppen eingeordnet: Neben einem Fall extremer Gewalt, 17 Angriffen, vier Sachbeschädigungen und elf Bedrohungen wurden 343 Fälle antiziganistischer Diskriminierung und 245 Fälle verbaler antiziganistischer Stereotypisierung dokumentiert.

Darüber hinaus führt der MIA-Report auch die unterschiedlichen Lebensbereiche, in denen Sinti und Roma diskriminiert werden, auf. Etwa jeder vierte Vorfall lässt sich dem Alltagsbereich zuordnen. Auch im Wohnkontext (121 Fälle) und im Umgang mit Behörden (119 Fälle) wurden viele Vorfälle erfasst. Diese Zahlen zeigten, so Rose, dass Antiziganismus für Betroffene alltäglich ist: »Nicht nur auf der Straße, sondern auch bei der Wohnungssuche, in der Schule oder bei staatlichen Behörden findet er statt.«

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